Ich wusste es. Ich wusste es die ganze Zeit schon - der Abend würde nicht gut enden. Maria war schon den ganzen Tag sauer auf mich gewesen und die Tatsache, dass zu der Geburtstagsfeier ihrer besten Freundin auch ihr Ex eingeladen war, entschärfte die Situation nicht besonders. Auch wenn sie mich gewarnt hatte mit dem Satz: Nicht das du noch eins auf die Nase kriegst, wenn du dich mit ihm anlegst! nützte im Nachhinein diese Warnung nichts.
Doch diese geladene Atmosphäre vibrierte, wie der Flügelschlag einer Libelle.
Eins vorweg: Ich bin nicht streitlustig. Im Gegenteil, ich gehe Ärger gerne aus dem Weg. Doch Markus hasste ich. Nicht etwa, weil er Marias Ex war, nein, sondern weil ich den gesamten lange Tag seine Visage im Büro ertragen musste, denn er war leider Gottes auch mein Chef. Und weil Markus mich mindestens genauso hasste, hatte er mir auch das kleinste, im hintersten Eck der Kanzlei gelegene und mit zwei kleinen Fenstern versehene, Büro aufs Auge gedrückt. Im Sommer brüllend heiß, da ohne Sonnenschutz, und im Winter bibbernd kalt. Dabei gab es auch fürs Dachfenster Faltrollos – ich weiß dass, denn schließlich entwerfe ich diese Dinger.
Ich bin Designer. Rollo-Designer. Klingt langweilig? Ist es aber eigentlich nicht. Ob voll verdunkelnd, halbtransparente Sichtschutz Faltrollos, oder eben auch fürs Dachfenster Faltrollos, die Möglichkeiten und Designs sind vielfältig und der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Leider verfügte ich über keines der beiden Arten und in meinem Büro konnte ich im Sommer halbnackt sitzen oder á la Zwiebelsystem im Winter mehrere Pullover übereinander ziehen, um die acht Stunden Arbeit irgendwie zu überstehen.
Wie dem auch sei, Markus war ebenfalls eingeladen und natürlich konnte er die Finger nicht von meiner Freundin lassen. Warum auch? Er dachte doch immer er könne sich nehmen was er wolle. Da aber Maria und ich diesen Abend im Streit zu verbringen drohten, ließ sie die Annäherungsversuche selbstverständlich zu. Bis mir irgendwann der Kragen platzte, so circa nach dem gefühlten 100 Glas Wein. Ich gebe zu, die Nacht im Krankenhaus ließ mein erhitztes Gemüt etwas zur Besinnung kommen, doch die darauf folgende Kündigung tat meinem Ego sehr weh. Zumindest war Markus ähnlich angeschlagen im Krankenhaus gelandet, im Zimmer nebenan, ohne halbtransparente Sichtschutz Faltrollos und mit einer gebrochenen Nase. Achja und Maria hielt meine Hand, den ganzen darauf folgenden Tag.